Bruststimme trainieren [umfangreicher Guide inkl. Übungen]
Die wenigsten Anfänger*innen kommen in meine Gesangsstunden mit dem konkreten Wunsch:
„Ich möchte meine Bruststimme trainieren.“
Viel öfter höre ich:
- „Ich will in der Höhe sicher & kraftvoll klingen.“
- „Ich will tiefer singen, ohne dass es dünn klingt.“
- „Ich will endlich eine stabilere Stimme.“
- „Ich möchte Emotionen transportieren.“
Die Basis für all das liegt in der Bruststimme.
Eine solide Bruststimme ist der Kern für Ausdruck, Kraft und Sicherheit – und oft der erste Schritt auf dem Weg zu einer ausgeglichenen Stimmtechnik (v.a. wenn man gerade mit dem singen anfängt.)
Ein Beispiel aus meinem Unterricht

Neulich hatte ich eine Schülerin – nennen wir sie Anna (Name geändert). Ihr Ziel war eine kräftigere Stimme, die nicht so schnell wegbricht und vor allem eine freie Stimme und ganz viel Leichtigkeit beim Singen.
Nach nur wenigen Minuten kam der Durchbruch.
Mit einer simplen Übung aus der Sprechstimme klang ihre Bruststimme plötzlich voll, klar, verbunden (und sie musste dafür nicht kämpfen😂)
Das zeigt: Bruststimme lässt sich in nur kurzer Zeit spürbar verändern (und trotzdem brauchen wir Übung, damit wir ein langfristiges Ergebnis haben.)
Also hier ein kleiner Reminder:
Wenn du auf Social Media eine 30-Sekunden Transformation der Stimme siehst, ist das nicht immer langanhaltend.
Wir brauchen eine Weile bis das Gelernte wirklich in unserem Muskelgedächtnis ist und quasi immer abrufbar ist.
Was ist die Bruststimme?
Aus stimmphysiologischer Sicht spricht man vom Mechanismus 1 (M1)
- Hier übernimmt der Thyroarytaenoideus-Muskel (TA) eine dominantere Funktion: Er verkürzt die Stimmbänder, die dadurch dicker schwingen.
- Der Gegenspieler, der Cricothyroideus (CT), bleibt nicht inaktiv, sondern arbeitet gleichzeitig mit – allerdings weniger stark.
- Durch die größere Querschwingung und Massebeteiligung der Stimmlippen entsteht ein dichterer, kraftvoller Klang.
In der Kopfstimme (Mechanismus 2 / M2) ist es umgekehrt: Der CT-Muskel dominiert, verlängert die Stimmlippen, die Kantenbeteiligung wird schmaler, die Schwingung feiner und dadurch klingt die Stimme leichter.
So das klingt jetzt wirklich super kompliziert.
So erkläre ich meinen Schüler*innen die Bruststimme
Fachwissen ist wichtig – aber noch wichtiger ist, dass man es fühlt.
Deshalb arbeite ich mit Bildern:
Viele Sänger*innen/Gesangsschüler*innen beschreiben, dass
- Brusttöne eher mit Vibration in Brust oder Mundraum verbunden sind
- während die Kopfstimme (wie der Name schon sagt) mehr im Kopf oder in der Stirn „zu spüren“ ist.
Genau daher kommen auch die Namen: Kopf- & Bruststimme.
Physiologisch entstehen diese Schwingungen jedoch im Kehlkopf, und der Klang entfaltet sich durch Resonanzräume im Pharynx (Rachenbereich), Mund- und Nasenraum
Der Eindruck von Brust- oder Kopfvibration ist also ein Körpersignal und dient zur Orientierung.
Dieses Bild hilft, die Register im Alltag klar zu unterscheiden.
Und genau das ist mein Ansatz: Es soll verstehbar sein.
Zurück zu Anna:
Als sie gesungen hat, habe ich sofort gehört: Der Klang war relativ dünn, sie wollte den Klang aber bewusst stärker machen, also find sie an „zu pressen“ und mit den umliegenden Muskeln nachzuhelfen.
Sie spannte unbewusst Gesicht, Hals und Nacken an und öffnete zudem den Mund kaum.
Somit haben sich die Töne nicht so angehört, wie sie sich das gewünscht hat.
Also versteht mich nicht falsch: Eine sanfte Bruststimme ist nichts Schlechtes und ich nutze sie in meinen Songs super gern.
Es war in diesem Moment einfach nicht das, was sie in dem Song vermitteln wollte und genau darum geht es: Die Stimme so einsetzen können, dass man die Art von Tönen erzeugen kann, die man erzeugen will.
Also keine Willkür: „Naja, dann klingt es jetzt halt sanfter“, sondern ganz bewusst:
Hier möchte ich etwas sanfter singen, hier möchte ich aber Power.
Das ist Stimmkontrolle und genau dazu befähige ich meine Gesangsschüler*innen.
Also was waren denn jetzt ihre Gründe, warum der Ton nicht so kräftig klang, wie sie wollte?
- die Stimmbänder hatten zu wenig Widerstand (wir hatten keinen guten Stimmbandschluss).
- Kiefer, Hals & Nacken waren angespannt (ein typisches Stresssignal im Nervensystem).
- Zu wenig Raum im Mund → zu wenig Resonanz.
All das hat dazu geführt, dass der Ton trotz viel Druck nicht kräftig klang.
Warum Bruststimme trainieren?

Bevor wir zu den Übungen kommen, erst Mal dazu, warum wir überhaupt unsere Bruststimme trainieren sollten.
Die Bruststimme als Grundlage für moderne Stile
Pop, Rock und Musical brauchen klare & tragfähige Brusttöne. Ohne sie klingt ein Belt oder ein Mix instabil.
Also eine gut trainierte Bruststimme ist die absolute Grundlage für kräftige, hohe Töne.
„Ich will eh nur klassisch singen, da brauch ich doch keine Bruststimme“
Klassisch geschulte Stimmen haben oft eine Kopfstimmen-Dominanz, d.h. sie trainieren überwiegend die Kopfstimme.
Hier ist die bewusste Entwicklung der Bruststimme notwendig, um stimmliche Balance herzustellen.
Durch das Trainieren deiner Bruststimme hast du mehr Variabilität in deiner Stimme und meiner Meinung nach ist stimmliche Variabilität = stimmliche Gesundheit.
Die Bruststimme als Grundlage für die Mischstimme (Mix Voice) & Belting
Für hohe, kräftige Töne brauchst du eine solide Bruststimme.
Bonus: Psychologischer Effekt
Eine volle Bruststimme gibt das Gefühl, präsent zu sein. Für viele Gesangsschüler*innen ist das ein echtes Empowerment.
Besonders Frauen sprechen im Alltag häufig mit einer sehr sanften Stimme.
Mit mehr Kraft & Präsenz in der Stimme fällt es ihnen oft sowohl im Alltag als auch bei der Arbeit leichter, sich durchzusetzen und Grenzen zu setzen.
Häufige Fehler in der Bruststimme – und wie du sie vermeidest

Viele Anfänger*innen im Singen haben nicht das Problem, dass „keine Bruststimme da ist“ (jeder hat eine Bruststimme), sondern dass ihnen der Zugang dazu fehlt.
Bruststimme Fehler #1: Atmung & Support fehlt
Eine der wichtigsten Dinge für eine kräftige Stimme ist die richtige Atmung und v.a. der Support, oft auch Stütze genannt.
Das Ergebnis: Der Ton hat keine Tragkraft
Die Lösung:
1. Bewusstsein dafür, wie wichtig Support ist
2. Richtige Atmung & Support lernen
Bruststimme Fehler #2: Mund bzw. Kiefer bleibt zu geschlossen
Ein enger Mund- & Kieferraum raum nimmt der Stimme Resonanz.
Das Ergebnis: Der Ton klingt gepresst und schwach.
Die Lösung:
1. Kiefer weiter öffnen (z. B. bei der „Ga“-Übung mit zwei Fingern im Mund). Das schafft automatisch mehr Raum und mehr Klang.
2. Lockerungsübungen für den Kiefer. Denn häufig sind wir so verspannt im Kiefer, dass wir den Kiefer gar nicht wirklich richtig & entspannt öffnen können.
Bruststimme Fehler #2: Zu viel Druck im Hals
Viele wollen „kräftig“ klingen und pressen die Töne. Das führt zu Spannung im Kehlkopf, Kiefer, Hals und Nacken.
Das Ergebnis: Die Stimme klingt angestrengt oder wird heiser.
Die Lösung:
1. Die richtige Atmung & Support lernen.
2. Die Sprechstimme nutzen, so tun als würde man jemanden rufen.
Bruststimme Fehler #3: Zu viel Luft in der Stimme („airy chest“)
Manche singen in der Bruststimme „hauchig“, weil sie es genau so gelernt haben.
Oft ist das bei Chorsänger*innen der Fall.
Warum? Weil sie ihre Kopfstimme über Jahre priorisiert haben, der CT Muskel ist trainierter, weshalb auch in den unteren Lagen viel Kopfstimmenanteil da ist. Der TA, der für die Dicke der Stimmbänder zuständig ist, ist sozusagen nicht so ausgeprägt.
Das Ergebnis: Stimme verliert Stabilität, klingt dünn, ermüdet schnell. Die Stimmbänder schließen häufig nicht komplett, es kommt viel Luft durch.
Die Lösung:
1. Vocal Fry
2. offene Vokale (ich mag A am liebsten)
3. Und Konsonanten wie G oder B nutzen (denn sie fördern den Stimmbandschluss.)
Bruststimme Fehler #4: Fokus auf Konsonanten statt Vokale
Viele betonen Konsonanten stark. Aber: Konsonanten tragen keinen Klang – Vokale tun das.
Das Ergebnis: abgehackter, schwacher Ton, wenig Resonanz.
Die Lösung:
1. Vokalformung: wie forme ich den Mund + wie nutze ich die Zunge &
2. Vokalflow: wie „schwebe“ ich vom einen zum anderen Vokal
Bruststimme Fehler #5: Angst vor Lautstärke
Viele vergessen den mentalen Aspekt beim Singen. Und ja, er ist größer als bei anderen Instrumenten, wie z.B. Klavier oder Gitarre.
Warum? Weil wir unsere Stimme als etwas persönliches sehen. Und das ist sie auch. Wir sind quasi unser Instrument und das macht uns verletzlich.
Und gerade Frauen bremsen sich oft unbewusst, weil sie Angst haben, zu laut oder „zu viel“ zu klingen.
Das Ergebnis: Stimme bleibt klein und die Bruststimme entwickelt sich nicht so, wie wir es gerne hätten, obwohl wir technisch vllt. alles richtig machen.
Hier dürfen wir den Nervensystem-Aspekt nicht vergessen: Laut zu sein fühlt sich oft unsicher an. Viele müssen erst lernen, dass es sicher ist, präsent zu klingen.
Die Lösung:
1. Sich den mentalen- & Nervensystem Aspekt bewusst machen
2. Spielerisch üben („ruf mal jemandem Hey zu!“) – natürlich statt technisch.
3. mentale Blockaden lösen
5 Übungen für eine starke Bruststimme

Wichtig: Ich gebe hier einen allgemein Überblick über verschiedene Übungen.
Das heißt, nicht alle Übungen sind sinnvoll für jeden Stimmtypen.
Deshalb machen wir in der ersten Stunde immer eine Stimmanalyse und schauen, welche Tendenzen du hast:
- Ist sehr viel Druck da oder singst du eher sehr „luftig“.
- Bist du bruststimmen- oder kopfstimmendominant.
- Wie ist die Position deines Kehlkopfes in unterschiedlichen Lagen
- ….
Wir machen quasi eine Status-Quo-Analyse, damit du genau weißt, wo du stehst und noch wichtiger:
Dadurch können wir genau die richtigen Übungen auswählen, damit wir über die Zeit eine Stimmbalance herstellen können und du deine stimmlichen Ziele auch wirklich erreichst.
Es geht nicht darum, irgendwas zu bewerten, sondern objektiv zu schauen, was da ist. Und alles, was da ist, ist vollkommen okay.
Wenn du Lust hast, buch dir eine kostenlose Probestunde und du bekommst die Stimmanalyse von mir geschenkt + zusätzlich 3 Übungen, die dir helfen, deine Gesangsziele zu erreichen.
Wenn du magst, kannst du natürlich danach gern in meinen Unterricht kommen, du bist aber absolut nicht verpflichtet.
1. Support aktivieren
Leg deine Hand seitlich auf deinen Bauch und sag ein paar Mal schnell „sch“. Du solltest hier den Support spüren.
Hier nur eine kleine Übung, die dir ein bisschen Zugang zum Support gibt. Ich werde noch einen ausführlichen Artikel zum Thema Support schreiben. Das ist einer meiner Lieblingsthemen & meiner Meinung nach auch eine der wichtigsten Basics beim Singen. Wenn du den Artikel auf keinen Fall verpassen willst, trag dich zu meinem Newsletter ein, dort bekommst du immer Bescheid, sobald ein neuer Artikel online kommt.
2. Einstieg: Sprechstimme nutzen
Sag „Hey!“ oder „Hallo!“ in normaler Sprechlautstärke.
Wenn sich das für dich zu sanft anhört, dann stell dir vor, du würdest jemanden rufen.
3. „Hey“ – 5 Töne aufwärts
- Tonleiter aufwärts, auf „Hey“.
- In Sprechstimme & -lautstärke.
- Überträgt deine Sprechqualität ins Singen.
- trainiert eher die weiche Bruststimme
4. „Ga“ – mit zwei Fingern im Mund
- 5 Töne aufwärts auf „Ga“.
- Zwei Finger zwischen die Zähne → Mund & Kiefer öffnen sich automatisch.
- Ergebnis: mehr Resonanz
- trainiert eher die kräftige Bruststimme
5. Vocal Fry als Einstieg
- Leises „Knarren“ am Anfang.
- Aktiviert den Stimmbandschluss („inner edges“).
- Hilft gegen Luftigkeit.
Bonus: Nervensystemfreundlich üben

Die Stimme spiegelt das Nervensystem. Stress → Kiefer & Hals verspannen, Stimme wird gepresst oder bricht weg.
👉 Bruststimme trainieren heißt auch: dem Körper beibringen, dass es sicher ist, manchmal laut und kräftig zu sein.
(Natürlich bedeutet Bruststimme nicht immer laut, es geht hier häufig mehr um eine klare Präsenz)
- Kurz & regelmäßig: 3 Minuten täglich sind besser als 1x/Woche 1 Stunde
- Lockerheit statt Druck: Bei Spannung → Pause, tief durchatmen, ausschütteln, Körper lockern
- Seufzer vor der Übung: signalisiert Entspannung.
- Spielerisch bleiben: „Hey“ rufen statt „Technik-Übung“.
- Körper einbeziehen: Fühl rein, wo du Spannung bemerkst und lockere genau diesen Bereich durch Klopfen oder Schütteln.
Soforteffekt vs. Langfristigkeit
Wie bei Anna: Sie hat ihren Zugang zur Bruststimme in Minuten gefunden.
Aber:
- Muskelgedächtnis braucht Wiederholung.
- Nervensystem braucht Gewöhnung.
- Jede Stimme ist individuell → passende Übungen sind entscheidend.
Darum starte ich jede Zusammenarbeit mit einer Stimmanalyse: So bekommst du Übungen, die zu deinem Stimmtyp passen.
Du willst eine klare & kräftige Bruststimme?
Die Bruststimme ist deine Basis – für Ausdruck, Kraft und Balance.
Sie zu trainieren bedeutet nicht nur Technik, sondern auch, deinem Nervensystem zu zeigen: Es ist sicher, präsent (und auch mal etwas lauter) zu sein.
🎤 Wenn du lernen möchtest, wie du deine Stimme gezielt trainierst, ohne dich zu überfordern, schau dir meinen Online-Gesangsunterricht Sing dich frei an oder buch dir direkt deine Probestunde. Gemeinsam finden wir Übungen, die zu deiner Stimme passen.

Über die Autorin

👋 Ich bin Lena, Gesangslehrerin & Nervensystem-Coach.
🎤 Seit über 14 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit Gesang und habe neben eigenem wöchentlichen Gesangsunterricht Ausbildungen als Stimmtherapeutin, Mental Coach und Female Empowerment Coach absolviert.
🎶 Mein Ansatz: Ich verbinde moderne Stimmtechnik mit fundiertem Wissen über Nervensystem und Stressregulation.
✨ Mein Ziel: Erwachsene & Jugendliche dabei zu unterstützen, ihre Stimme nicht nur musikalisch zu entwickeln, sondern auch als Werkzeug für innere Sicherheit und Selbstvertrauen zu nutzen.
